Interview : Gilles Verrier, Identité RH

Gilles Verrier

Employee Experience. Ein aktuelles Thema, zu dem wir mit mehreren Experten diskutieren konnten: Wie kann man auf die Dringlichkeit von Sinn im Unternehmen reagieren und Unterstützung schaffen, eine Ausrichtung der Mitarbeiter auf seine Werte? Wie fördert man durch die Anerkennung des Beraterberufs eine optimale Arbeitserfahrung?

Hier finden Sie das Interview mit Gilles Verrier, Managing Director von Identity HR, der uns sein Feedback und seine Best Practices mitteilt.

Sie waren in verschiedenen großen Grup-pen tätig. Welche Veränderungen konnten Sie im Laufe Ihrer Karriere und bis heute beim Mitarbeiterengagement und beim vom Unternehmen vermittelten Mitarbei-tererlebnis feststellen?

Mitarbeiterengagement ist heute im Unterneh – men in aller Munde. Noch vor wenigen Jahr – zehnten beherrschte allein die Ausführung der Arbeit den Diskurs, wobei die Leistung in erster Linie von der Maschine abhing. Die Intensität des Engagements spielte hier kaum eine Rol – le. An der Fertigungslinie erzielt jeder Arbeiter mehr oder weniger die gleichen Stückzahlen. Der Umschwung kam mit der Verschiebung hin zu wissensbasierter Arbeit. Hier misst sich der Erfolg des Mitarbeiters in erster Linie an Bezie – hungen und informationen, das individuelle Engagement wirkt sich folglich direkt auf die Leistung aus. Mitarbeiter beispielsweise, die mit der Kunden – beziehung betraut sind, erzielen je nach Energie und persönlichem Einsatz höchst unterschied – liche Ergebnisse.

Wie definieren Sie das Mitarbeiterengage – ment und das Mitarbeitererlebnis, insbe – sondere im heutigen Kontext im Schatten der Gesundheitskrise?

Mitarbeiterengagement hat zwei Dimensio – nen: eine emotionale und eine rationale. Das emotionale Engagement kommt von Herzen und entsteht durch das Projekt, durch Werte, den Daseinsgrund des Unternehmens. Es er – zeugt ein Zugehörigkeitsgefühl. Das rationale Engagement hingegen erwächst aus dem, was der Mitarbeiter aus seiner Tätigkeit mitnimmt. Dabei geht es nicht nur um die Bezahlung, son – dern auch um die Tragweite der anvertrauten Verantwortung, die Entwicklung von Kompe – tenzen, die Qualität der Führungspraxis usw. Unternehmen, denen es gelingt stärkeres En – gagement hervorzurufen, setzen parallel an diesen beiden Aspekten an.

Natürlich bleibt die Gesundheitskrise nicht ohne Folgen: die Mitarbeiter hinterfragen zu – nehmend die Sinnhaftigkeit ihrer Tätigkeit. Gleichzeitig packen die Unternehmen dort an, wo es gerade am Dringendsten ist. Gera – de im Moment haben die Unternehmen keine Zeit, sinnstiftende Elemente zu liefern. Dieses Manko berührt allerdings auch das rationale Engagement: die Mitarbeiter erwarten mehr vom Unternehmen, das sich jedoch aufgrund der wirtschaftlichen Lage gezwungen sieht, die Kosten zu komprimieren. Dies kann mittelfristig dazu führen, dass das Engagement sinkt.

Wie lässt sich das Engagement stärken, speziell mit Blick auf Contact Center und die direkte Funktion der Agenten im Dienste des Kunden?

Lassen Sie mich ein Beispiel anführen. Ich be – treue unter anderem ein Inkassounternehmen. Bis zum ersten Lockdown wurde der Call Center nach dem Prinzip Management durch Druck geführt, mit einer Form von Mikromanagement. Der zu erreichende Standard lag bei 80 Anrufen pro Tag. Sobald ein Mitarbeiter den Rhythmus verlangsamte, kam der Manager vorbei und schaute ihm über die Schulter. Dann stellte das Unternehmen auf Home-Office um. Aufgrund der fehlenden räumlichen Nähe, mussten die Manager auf ein Management durch Engagement umsteigen, mit Videokonferenzen zu Beginn des Arbeitstags, um die Agenten zu motivieren.

Nach einigen Tagen stellte das Unternehmen fest, dass sich die durchschnittliche Anrufzahl von 80 auf 120 erhöht hatte und auch während des gesamten Lockdowns auf diesem Level blieb. Die Agenten fühlten sich durch dieses „Management by Engagement“ vom Druck befreit und die Ergebnisse waren deutlich sichtbar. Die Herausforderung in diesen Strukturen besteht darin, Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Management durch Engagement zu einer Leistungssteigerung führt. In Berufen mit Kundenkontakt gilt dies noch viel mehr als in anderen Bereichen, da sich hier alles an der Schnittstelle und im Dialog zwischen dem Mitarbeiter und dem Kunden abspielt.

Glauben Sie, dass ein Mitarbeitererlebnis und eine Symmetrie in diesem Bereich möglich sind? Und falls ja, wie lassen sie sich aufbauen?

Eines Tages, habe ich mich mit einem Nachbarn über eine Bäckerei in unserem Viertel unterhalten. An diesem Tag ist mir der echte Sinn dieses Begriffs bewusst geworden. So ausgezeichnet die Brötchen dieser Bäckerei sind, so unfreundlich sind die Verkäuferinnen. „Sie kennen wohl nicht den Chef? So wie der seinen Mitarbeitern zusetzt, wie sollen die bei dem, was sie mitmachen, auch noch sympathisch sein.“ Die Qualität der Kundenbeziehung ist absolut symmetrisch. 

Davon ausgehend sollte sich das Unternehmen ehrlich die Frage stellen, was ein qualitativ hochwertiges Mitarbeitererlebnis bewirken kann. Wichtig ist dabei vor allem, die gesamte Tragweite einzubeziehen – viele Unternehmen beschränken diese Frage lediglich auf den Einflussbereich der Personalverfahren. Dabei umfasst das Mitarbeitererlebnis alle konkreten Aspekte im Alltag, einschließlich der Wahrnehmungen und Empfindungen jedes Einzelnen.

We rd e n Te c h n o l o g i e l ö s u n g e n , d i e eine schnelle Einarbeitung in die Tools ermöglichen und die Betreuung neuer Mitarbeiter heute Ihrer Ansicht nach besser einbezogen?

Ja, wobei man sich nicht der Illusion hingeben darf, dass ein Tool alles vermag. Vor dem Umstieg auf eine neues Tool ist es zunächst wichtig, die Situation und die Herausforderungen gemeinsam mit den Betroffenen zu analysieren, um den tatsächlichen Bedarf festzustellen. Ein neues Werkzeug ist wunderbar. Allerdings nur, wenn man weiß, wie es richtig genutzt wird und wozu es dient.

Investieren die Unternehmen genug in diese Aspekte?

Der Mensch ist heute der wichtigste Ansatzpunkt bei der Wertschöpfung und das Potential ist noch längst nicht ausgeschöpft. In vielen Fällen wird der Mensch noch immer als Produktionsfaktor mit Kosten und Zwängen betrachtet, anstatt ihn als Potential zu sehen.

Unternehmen wie etwa Boulanger, das Boulanger Customer Care eingeführt hat, rühmen die ausgezeichnete Qualität der Kundenbeziehung ausgehend von einem ausgezeichneten Mitarbeitererlebnis. Erkennen Sie bei anderen Unternehmen Fortschritte in dieser Hinsicht?

Die Lotto-Gesellschaft La Française des Jeux, beispielsweise, hat ihr Geschäftsmodell von physischem Verkauf auf ein Digitalkonzept umgestellt. Damit hat sie sich praktisch aus einer Monopolsituation in ein Wettbewerbsumfeld vorgewagt, das die Karten völlig neue verteilte. Parallel dazu trieb sie die Digitalisierung des Mitarbeitererlebnisses voran. FDJ hat verstanden, dass ein gutes digitales Kundenerlebnis nur möglich ist, wenn zuvor ein echtes digitales Mitarbeitererlebnis geschaffen wurde. In diesem Sinne hat FDJ alle Mitarbeiter mit einem Smartphone und einem digitalen Safe ausgestattet. Bei einem Arbeitgeberwechsel können nun alle HRDokumente übertragen werden. Für mich ist dies ein ausgezeichnetes Beispiel für einen gelungen Wandel auf Basis des Mitarbeitererlebnisses. 

Um selbst diesen Schritt zu gehen, ist zu empfehlen, zuerst einmal die einzelnen Phasen des Mitarbeiter-Lebenszyklus zu analysieren, beispielsweise die Integrationsphase, um festzustellen, was zur Erhöhung der Effizienz digitalisiert werden kann, und was auf der anderen Seite „vermenschlicht“ werden sollte.

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